Mein Name ist Andrea Koslowsky,
„Empowerment“ heißt Herausforderungen meistern. Gleich in seiner Begrüßung holte
Dr. Matthias Müller, Präsident des Deutschen Schwerhörigenbund e.V. (DSB), das
geheimnisvolle Wort aus dem Titel des diesjährigen DSB Selbsthilfetages auf den
Boden des Alltags.
„Empowerment – für einen selbstbewussten Auftritt
Hörbeeinträchtigter in Ehrenamt und Beruf“: Unter diesem Motto wurden am 09.
September 2022 im Kleist Forum Frankfurt/ Oder die psychosozialen Aspekte von
Hörbeeinträchtigungen in den Blick genommen.
In Ihrem Grußwort bemerkte die Behindertenbeauftragte des Landes Brandenburg,
Janny Armbruster, dass Hörschädigung als nicht sichtbare Behinderung nach wie vor
eine geringe Wahrnehmung in der Öffentlichkeit genieße und folglich auch über eine
nur sehr kleine Lobby verfüge. Dabei seien die schwerhörigen Menschen Bestandteil
der hörenden Gesellschaft. Bei ihrer Teilhabe in diesem Umfeld würden sie aber
täglich große Einschränkungen erfahren, so Armbruster: Dem brandenburgischen
Landesverband des DSB attestierte sie, eine starke Stimme im Land zu sein und mit
viel Herzblut und Engagement die Belange der Betroffenen zu vertreten.
„Nicken, lachen, hoffen, dass es keine Frage war…“ – so brachte Solveig Reineboth,
Hörgeschädigtenpädagogin an der inklusiven Reinfelder Schule (einem
Förderzentrum für Hören und Sprache in Berlin) die Grundsituation vieler Menschen
mit Hörbeeinträchtigungen auf den Punkt. Mit dem Bild der Kommunikationsbrücke
nach Jochen Müllerzeigte sie in ihrem Impulsvortrag auf, wie brüchig die
Kommunikation zwischen gut hörenden und hörbeeinträchtigten Menschen ist.
Hörabstand, Umgebungsgeräusche, Dialekte, schlechte Beleuchtung: Viele Faktoren
führen zu Unsicherheiten, und zwar auf beiden Seiten – was den Beteiligten oft nicht
bewusst ist.
So greifen sie zu Mitteln, die nicht geeignet sind: überlautes Sprechen,
nervöses Wiederholen, Verkürzen und Auslassen von Inhalten auf der einen Seite,
Vertuschen, Verstecken und Rückzug auf der anderen Seite. Die entstehende
Frustration führt auf beiden Seiten zu defensivem Umgang, Vermeidung und letztlich
Entfremdung. Empowerment bedeutet, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Für die
Betroffenen heißt das einerseits, ihre Behinderung zu kommunizieren und die
praktischen Vorkehrungen und Gegenmaßnahmen zu kennen und nutzbar zu machen.
Wie das geschehen kann, machte Reineboth am „Lebensrucksack“ deutlich.
In den
gilt es zu packen, was wir für unser Leben brauchen, damit es angenehm wird und
gelingt. Dinge wie Erfahrungen, Talente, Wissen und Ausbildung gehören hinein
genauso wie auch ganz persönliche und individuell sehr unterschiedliche „Packstücke“
wie Familie, Literatur, die Berge, Ruhe, Sport oder Gesellschaft. …
In dieses spezifische Fach des Rucksacks gehöre, so Solveig Reineboth, natürlich
auch, seine Rechte und Möglichkeiten zu kennen: Beratung, Unterstützung, Hilfen und
Nachteilsausgleiche im Gesundheitswesen, am Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, in der
Freizeit.
Empowerment bedeutet andererseits auch, sich von der eigenen, in manchen
Situationen stark auf das Hördefizit reduzierte Negativwahrnehmung zu befreien und
die eigenen Kompetenzen und Stärken kennenzulernen. …
In der anschließenden Podiumsdiskussion unter Moderatorin Claudia Piplow,
Hörgeschädigtenpädagogin an der Potsdamer Wilhelm-von-Türk-Schule, konnte
Solveig Reineboth ihren eigenen Werdegang reflektieren. Unter der doppelten Frage
„Wie hast DU das geschafft? / Wie hast du DAS geschafft?“ saßen mit ihr am Tisch
Björn Haase, bis vor kurzem erster Vorsitzender des Berliner Schwerhörigenvereins
und beruflich inder IT tätig, sowie Ilona Dehner, Vorsitzende des DSB- Ortsverein
Cottbus.
Alle drei berichteten von ihrer Schulzeit und Jugend, in denen sie sich mit verschiedenen Tricks und Techniken verstecken und durchmogeln konnten. Einzig Björn Haase konnte sich in dieser Zeit auf seine Mutter stützen, die die Beeinträchtigung ihres Sohnes erkannte (und anerkannte) und seine Sprach- und Hörentwicklung als regelrechte „Hörcoachin“ begleitete.
Ansonsten berichteten die drei Betroffenen auf dem Podium allesamt Ähnliches über
ihre Kindheit. Ob man sich nun in die erste Reihe setzte, den Schulstoff nachmittags
mühselig nacharbeitete, sich in die Welt der Bücher zurückzog oder umgekehrt zum
Klassenclown avancierte, um nicht zuhören zu müssen: Letztlich wandte man die
typischen Taktiken des Kompensierens, Vermeidens oder der Flucht nach vorne an,
um sich irgendwie über Wasser zu halten.
Als hörbeeinträchtigte Schülerinnen und Schüler auf Regelschulen gehörte Solveig Reineboth, Ilona Dehner und Björn Haase das Wissen über den Umgang mit der eigenen Schwerhörigkeit nicht zum Lernstoff. Das AHA-Erlebnis folgte bei allen erst mit zunehmender Eigenständigkeit, in der Ausbildung oder bei der ersten Arbeitsstelle. Stress, Fehler und/oder negative Rückmeldungen brachten die Erkenntnis, dass irgendetwas nicht optimal lief.
Es
folgten mühsame Lernprozesse, gemischt mit dem Sturz in die Arbeit („Ich muss etwas
ausgleichen…) bis hin zu Burn-out, Reha und anschließender Wiedereingliederung.
Bis zu der Erkenntnis „Ich bin ein wichtiger Teil des Teams!“ war es ein langer Weg,
der immer auch über den Kontakt mit und die Arbeit in einer Gruppe Gleichbetroffener
(„Die nehmen Rücksicht“) führte. Am Ende stand und steht bei allen dreien das
Engagement auch jenseits von Beruf und Privatleben – sei es in der Selbsthilfe oder
in der Schwerbehindertenvertretung.
…
Wie bei den DSB-Selbsthilfetagen üblich, gab es auch in Frankfurt/Oder wieder eine
Ausstellung, in der sich mehr als 25 Anbieter von Beratungsleistungen, medizinischer
Rehabilitation und technischer Hilfsmittel präsentierten. Parallel zu den Vorträgen oder
in den gut bemessenen Pausen hatten die Besucher Gelegenheit, Informationen
einzuholen, Fragen zu stellen und Hilfsmittel und Geräte auszuprobieren….
Artikel aus „Spektrum Hören“ 6/2022 Seite 36-39 / Norbert Böttges
Auf dem DSB Bundeskongress, am 10. September 2022, wurden mit der DSB- Ehrennadel in Silber Hans-Joachim Dietrich, Vorsitzender des DSB LV Brandenburg und Ilona Dehner, Vorsitzende des Schwerhörigenverein Cottbus e.V., geehrt.
Über 45 Jahre war ich mono unterwegs. Ausgangspunkt war eine Meningitis Erkrankung im Kleinkindalter. Mit der Zeit ertaubte ich linksseitig.
Mein Name ist Angelika Fietzke, 1952er Jahrgang, ich trage rechts ein Hörgerät, links ein CI.
Ich wurde 1945 geboren und auf Grund einer schweren doppelseitigen Lungenentzündung im Säuglingsalter wurde ich beidseitig schwerhörig.